Biographie

des Börries, Freiherrn von Münchhausen



Börries, Freiherr von Münchhausen, 1932

Börries von Münchhausen
 
Er wurde am 20. März 1874 in Hildesheim als „Börries Albrecht Conon August Heinrich Freiherr von Münchhausen” geboren und verstarb durch Suizid am 16. März 1945 in Windischleuba.
Nach dem Besuch der Klosterschule Ilfeld nahm Münchhausen in Göttingen, Berlin und München das Studium der Rechts- und Staatswissenschaften auf. Später belegte er auch Fächer wie Philosophie und Literaturwissenschaft und promovierte zum Dr. jur. 1899 in Leipzig. Im Ersten Weltkrieg war Münchhausen zunächst Reserveoffizier im sächsischen Gardereiter-Regiment in Dresden und arbeitete seit 1916 für das Auswärtige Amt. Er gehörte zu den bedeutendsten Balladendichtern Deutschlands. Die lyrische Form der Ballade machte den Schwerpunkt seines Schaffens aus. Seine Balladen und Lieder thematisierten Stoffe aus vergangenen Epochen.
 


—> zu den Gedicht-Vertonungen


„Gnade Dir Gott, Du Ritterschaft”

Vor 100 Jahren wurde der Balladendichter Börries, Freiherr von Münchhausen geboren

 
















Schloß Windischleuba
(c) Paul Winkler-Leers

Unsere Literatur kennt keine Balladen mehr. Der letzte große Vertreter dieses Genres, der heute vor 100 Jahren in Hildesheim geborene Dichter Börries, Freiherr von Münchhausen, aus einer über 700 Jahre alten niederländischen Adelsfamilie stammend, war schon zu seinen Lebzeiten nicht unumstritten.
Der Freiherr auf Schloß Windischleuba bei Altenburg war dennoch ein recht erfolgreicher Wiedererwecker der sogenannten spätbürgerlichen Ballade, er nahm um 1900 Fäden wieder auf, die Graf Strachwitz, Liliencron, Fontane und andere gesponnen hatten. Mit seinen „Ritterlichen Liedern”, mit denen er Stand und Standesgenossen (die zu „Schild und Helm” geborenen, denen die Sorge für den kleinen Mann aufgegebn war) besang, wollte er ganz bewußt der letzte Künder von adeliger Tugend sein in einer Zeit, in der die Vorrechte der Geburt erloschen. Von Münschhausen, einem vollendeten Edelmann, soll die Sentenz stammen: Wer mit zwanzig nicht Sozialist gewesen sei, habe kein Herz, wer mit vierzig nicht konservativ denke, habe keine Vernunft. Seine Jugend verlief nicht ohne Widersprüche. Der Erbe von sieben Rittergütern zog mit Zigeunern durch die Lande, gründete als Jurastudent 1897 den Göttinger Musenalmanach, in Erinnerung an die Balladendichter des Hain-Bundes. Mit 26, mit 30 Jahren erscheinen dann die ersten Balladen, das Buch Juda, das Ritterliche Liederbuch, die Edda-Lieder, alles Bücher, die für Lyrik ungewöhnlich hohe Auflagen erreichten. Was ihn am stärksten zur Adels- und zur Juda-Dichtung zog,

war das Bild des vom Untergang bedrohten, einst strahlenden Standes. Im Grunde war nichts „spezifisch Preußisches” in ihm — sein Vorbild war vielmehr die unverbrüchliche Treue des welfischen Adels zum 1866 beseitigten Königshaus. Als Reserveoffizier diente er auch nicht dem preußischen König, sondern dem König von Sachsen im Gardereiter-Regiment in Dresden.
In dunklen Farben glühen die Worte in der Mauer-Ballade, auf den Untergang des französischen Adels 1794 geschrieben: „Monteton, wo ist Deine Mauer? — Chalençon, wo ist Dein Schwet? — Wo ist Dein Turm, Tournefort?" Ganz andere Töne klingen in dem Lied auf den Bauernkrieg an: „Gnade Dir Gott, Du Ritterschaft — Der Bauer stund' auf im Lande ...” Im Herzen hat Münchhausen wohl gespürt, daß das „Gnade Dir Gott, Du Ritterschaft” sich in anderer Form vor seinen Augen noch einmal verwirklichte, im Aufstand der Massen, in der Vergötzung des Geldes ...
Der Dichter wurde in Ehren gehalten, auch im Dritten Reich, dem er fremd gegenüberstand. 1934 verlor er den einzigen Sohn durch einen tragischen Autounfall. 1945 kam die Stunde für Windischleuba, dem Schloß im Wiesengrund, dem er einen eigenen Gedichtband gewidmet hatte. Am 16. Januar 1945 verstarb seine Frau, Flüchtlinge aus dem Osten füllten das Schloß. Acht Wochen nach dem Verlust seiner Frau gab sich der letzte Romantiker des Rittertums am 16. März 1945 den Tod. Er wollte weder amerikanische noch rote Panzer in Windischleuba einrollen sehen.


von Walter Görlitz aus »DIE WELT« vom 20. März 1974


Schloß Windischleuba

Börries, Freiherr von Münchhausen



Über das Werk des Börries, Freiherr von Münchhausen (1923)

Unter den deutschen Lyrikern der Gegenwart nimmt Börries von Münchhausen eine besondere Stellung ein. Seine Verskunst ist ritterliche Lyrik, ritterliche Balladendichtung. Das Herrenmäßige darin spricht sich so stark in Anspruch und Ablehnung aus, wie etwa das standesbewußte Bürgertum in Storm, die klassenbewußte Arbeiterdichtung in Lersch, Barthel, Bröger. Bei Münchhausen verbindet sich nun mit dem Herrenmäßigen nicht der geringste Dünkel, wohlaber ein aufrechter Stolz, eine sichere, freudige Bejahung des Herrendaseins. Sein Werk ruht auf der besten deutschen Überlieferung, es ist Erbe, neue Aussaat alten Kornes. Lyrik des deutschen Hauses, der deutschen Familie, vor allem auch eine Lyrik für Männer — Männer der Arbeit, des Berufslebens, für Liebhaber von Wild und Hund und Pferden, von Jagd, und Reit- und Wandersport. Seine Balladen führen die von Strachwitz herlaufende Linie fort. Ein starker Lebenspuls schlägt in ihnen, Rhythmus und Takt befeuert sie. Es ist ungemein viel gesunde Natur und handwerklicher Fleiß, Gabe lebhaften Erzählens, Fröhlichkeit, herzliche Neckerei, auch Versonnenheit und nachdenklicher Ernst in dieser meisterlich geübten Kunst. Die deutlich durchscheinende Persönlichkeit des Dichters begrenzt zugleich und adelt die lyrischen Selbsterkenntnisse. Er zieht einen Zaun um sich wie um seine Kunst, aber innerhalb dieser Umfriedung bewegt er sich als Herr und Wirt, gewinnt sich die Gäste zu Freunden. Liliencron hat gern sein Poggfred besungen, ein Märchen- und Traumschloß, daß er nie besessen hat. Münchhausen, ein Glückskind, dichtet sich die Wirklichkeit zum holden Märchen, zum perlenden Traum: sein Schloß in Wiesen. Welche Fülle von Wohnlichkeit und Behagen, von Glücksempfinden und Lebenssicherheit leuchtet von diesen Seiten her: das wundervolle Glück und die Kachelofenwärme der Alltäglichkeit. Münchhausen, der in seinen Balladen zwischen Himmel und Hölle auf dem Geisterpferd Schweifende, Allsichverwandelnde, wird bei sich daheim zu einer Gestalt voll milder Männlichkeit und Ruh, bescheiden-fest, sich selber treu, ein deutscher Dichter der Familie und der Ehe. Schon heute hat sein Werk — "nichts als dreißig Liederjahre" — sich die Lebensfreundschaft von Hunderttausenden erworben . . .

soweit aus der 1923 erschienenen Werkbroschüre der Deutschen Verlags-Anstalt, Stuttgart und Berlin.


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Jürgen Sesselmann (mayer)
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