Biographie

von Klabund



Klabund

Portrait 1926

Klabund (Alfred Henschke)
 
Er wurde am 4. November 1890 mit bürgerlichem Namen Alfred Georg Hermann Henschke als Sohn des Apothekers Dr. Alfred Henschke in Crossen an der Oder geboren. 1928 erkrankte er auf einer Italienreise an einer Lungenentzündung, die zusammen mit seiner nie ausgeheilten Tuberkulose für ihn lebensbedrohend wurde. Während seiner Behandung verstarb er am 14. August 1928 in Davos, Kanton Graubünden in der Schweiz. Sein Pseudonym " Klabund " wählte er sich 1912 nach ersten Veröffentlichungen im Sinne eines vagabundierender Poeten.
 


—> zu den Gedicht-Vertonungen



Kleine Selbstbiographie

 


Ich bin, da ich dieses schreibe, siebenundzwanzig Jahre alt. Aber ich könnte auch schreiben: drei Jahre, oder: fünfzigtausend. Ich stamme irgendwo aus der Mark. Ich bin ein Preuße. Und meine Farben, die ihr kennt, sind schwarz und weiß. Schwarz, das ist die Nacht, und weiß, das ist der Tag. Ich bin Tag und Nacht. Ich bin in der Mark geboren, aber früher lebte ich einmal in China und schrieb, mit einer großen Hornbrille betan, kleine Verse auf große Seidenstreifen. Mein Weg ist noch weit. Wer mich eine Stunde begleiten will, soll mir willkommen sein. Immer wieder muß ich geboren werden. Ich kann mich noch gut erinnern, daß ich einmal ein Hase war und über die Felder hoppelte und Kohl fraß. Später war ich ein Geier, der den Hasen die Augen auszuhacken pflegte. So mordete ich mich selbst. Ich war gut. Ich war schlecht. Ich war schön und häßlich; liebreizend und entsetzlich, feige und tapfer, herrisch und knechtisch. Ich liebe die Menschen. Aber ich liebe sie nicht mehr als die Tiere oder die Sterne, mit denen ich gerade so zu sprechen vermag wie mit dir, mein menschlicher Bruder. Ich liebe die Frauen. Allen voran die liebste Frau, die mir Tochter und Mutter Gottes war. Sie ist längst an Gottes Thron zurückgekehrt. Dort steht sie, die Lilie in der Hand, und lächelt und weint auf mich herab. — Was ihr kennt, ist nur ein Teil dessen, was ich dichtete. Oft hat mir der Wind die Blätter verweht, auf denen ich schrieb. Ich habe bei meinen vielen Wanderschaften zwei ganze Dramenmanuskripte verloren. Wer sie gefunden hat, soll sie behalten, ob er nun sein Zimmer damit tapeziert oder ob er sie seiner Frau nach dem Nachtmahl vorliest. Immer wieder muß ich mit heißer Klinge die klingenden Kämpfe in mir zu Ende fechten. Den Kampf der roten und der weißen Rose. Wenn ich einmal verblutet dahinsinke, soll man mir weiße und rote Rosen aufs Grab werfen. Das soll geschmückt sein wie ein Brautbett und ein liebendes Paar soll wie Goldregen darauf niederstürzen. Und noch im Tode werde ich das neue Leben segnen.

Locarno, 1919

Das Vorwort aus »Kleines Klabund-Buch«Novellen und Lieder, 1921, Verlag von Philipp Reclam junior, Leipzig


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Jürgen Sesselmann (mayer)
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