An mein Vaterland

Wie fern, wie fern, o Vaterland, bist du mir nun zurück! Dein

 

von Nikolaus Lenau




aus dem Gedichtband :
Nicolaus Lenau - Gedichte, 1837 — 3. Auflage, Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen

An mein Vaterland

An mein Vaterland

Gedicht (PDF)

Wie fern, wie fern, o Vaterland,
bist du mir nun zurück!
Dein liebes Angesicht verschwand
mir, wie mein Jugendglück! *)

Ich steh' allein, und denk' an dich,
ich schau' ins Meer hinaus,
und meine Träume mengen sich
ins nächtliche Gebraus.

Und lausch' ich recht hinab zur Flut,
ergreift mich Freude schier:
Da wird so heimisch mir zu Muth,
als hört' ich was von dir.

Mir ist, ich hör' im Winde gehn
dein heilig Eichenlaub,
wo die Gedanken still verwehn
den süßen Stundenraub.

Im ungestümen Wogendrang
braust mir dein Felsenbach,
mit dumpfem, vorwurfsvollem Klang
ruft er dem Freunde nach.

Und deiner Heerden Glockenschall
zu mir herüberzieht,
und leise der verlorne Hall
von deinem Alpenlied.

Der Vogel im Gezweige singt,
wehmüthig rauscht der Hain,
und jedes Blatt am Baume klingt
und ruft: gedenke mein! –

Als ich am fremden Gränzefluß
still stand auf deinem Saum,
als ich zum trüben Scheidegruß
umfieng den letzten Baum,

an meine Zähre trennungsscheu
in seine Rinde lief:
Gelobt' ich dir die ew'ge Treu
in meinem Herzen tief.

Nun denk' ich dein, so sehnsuchtsschwer,
wo manches Herz mir hold,
und ströme dir ins dunkle Meer
den warmen Thränensold! –


Worte :
August bist Oktober 1832 Nikolaus Lenau (1802-1850)
Auf See, während der Überfahrt nach Amerika, 1832

*) Diesen Vers habe ich im Liedtext von "Seemorgen" zusätzlich verwandt.


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