Fröhliche Woche mit Freunden (1923)
von Börries, Freiherrn von Münchhausen
Geschichte, Briefe und Aufsätze
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Fröhliche Woche mit Freunden, 1923, 6.-10. Tausend
(c) Börries, Freiherr von Münchhausen
Νίξ δήδε μάλα μαχρή άζέσφατος. ούδέ πω ώρη
Εΰδειν έν μεγάρψ. σύ δέ μοι λέγε ζέσχελα έργα.
Lang ist heut die unendliche Nacht. Im Saale zu schlafen
ist noch zu früh, mein Freund. So erzähle mir Wunder und Werke.
(Odyssee 11, 374)
Meine Freunde!
Der Sommerabend hängt überm Wiesenschlosse, im Gartenhause surrt ein Schwärmer um das Windlicht und verwirrt die bläulichen Rauchfäden eurer Zigarren zu wilden Knoten. Unter den weit offenen Söllertüren quaken die Frösche im Wallgraben, und drüben, wo ihr die jungen Kaninchen faustgroß überm Kiesweg hoppeln seht, wallen schon Nebel vom Fuchsdamm her ...
Und wir erzählen.
Jeden Abend kommt jeder an die Reihe, und eine Woche lang soll jeder etwas von sich berichten.
Er "berichtet". Aber wenn er dabei sein "Er" vergißt, so heißt das Wort: Er "beichtet". Beichten kann er, wie jeder nur, wenn er sich vergißt.
Wie jeder? – Nein!
Der Künstler kann beichten und berichten nur von sich. Und so ist dies eine Woche voll Erinnerungen von mir, euch erzählt, ihr lieben Freunde, wie man eben vor Freunden plaudert im Schummern des Maiabends, wenn das letzte Rot hinterm Turme des Dorfkirchleins sachte verglüht und in den Zinndeckeln der Bierkrüge fast länger und zärtlicher verweilt als drüben in Dreschers blühenden Kirschbäumen . . .
Wohl ein Dutzend Versbücher schenkte ich euch in fünfundzwanzig Jahren – nun kommt mir dies erste Werkchen in Prosa arg ungereimt vor. Erlaubt, daß ich heute ganz unheldisch und unfeierlich bin. Nur ein wenig Lyrik müßt ihr mir zugestehen, weil dieser Abendso lyrisch ist, und weil man nur mit Lyrik über eine gewisse Scham fortkommt.
Vorm Spitzbogen steht dein Schattenriß, vorm Wiesengrunde der deine. Du dort läßt die Zigarre aufglühen, und in deine Zustimmung klingt vom Dickicht im Parke her das Balzen der Fasanen.
Und ich erzähle . . .
Freiherr Börries von Münchhausen
aus dem Vorwort des Buches
152 Seiten, gebundene Ausgabe, blaues Leinen mit goldgeprägter Deckelvignette und goldgeprägtem Rückendeckel, Fraktur, Format 13,0 x 19,2 cm, 1923 - 6. bis 10. Tausend, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart und Berlin
Inhaltsverzeichnis:
Vorwort
Inhalt
Montag :
- Wer? Was? Woher? Einige Auskünfte und ein Ausflug in die Balladik
Dienstag :
- Berliner Jahre, dabei ein kurzes Ausgleiten ins Politische
Mittwoch :
- Von allerhand Briefen nebst einem Ausblick in die Nachwelt
Donnerstag :
- Von meinen Vorträgen mit einem Ausfall gegen die Rezitatoren
Freitag :
- Nach zwanzig Jahren. Ein Märchen mit lyrischem Ausklang
Sonnabend :
- Krieg. Erinnerungen ohne den Ausgang
Sonntag :
- Gäste, eine Auslese der Ausnahmen
Anmerkung
Ausgaben Münchhausenscher Gedichte
Vertonungen Münchhausenscher Gedichte [28 KB]
Anmerkungen:
Die Lebensbeschreibung des Montags erschien zuerst im Lierarischen Echo 1913, die drei Aufsätze über Briefe, Vorträge und Gäste in Velhagen &Klasings Monats-Heften 1921, das Märchen des Freitags auch 1921 im Türmer. Die Erinnerungen an Berlin und den Krieg sind stark gekürzte Abschnitte meiner Lebensbeschreibung, die unter dem Namen: Das Buch des Lebendigen und des Toten nur für meine Nachkommen bestimmt ist.
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Jürgen Sesselmann (mayer)
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